Chronik/Geschichte Alt

Die Geschichte der Marktgemeinde Lenzing

Die graue Vorzeit

Uralter Kulturboden umgibt den Lenzinger Lebensraum und seine Umgebung. Wie wir aus der Geschichte wissen und dies durch Funde nachgewiesen wurde, war das Gebiet um den Attersee, insbesondere aber auch an der oberen Ager, vor mehreren Tausend Jahren bewohnt. Die Reste eines Pfahlbaudorfes am oberen Agerausfluss sowie verschiedene Pfahlbaudörfer im Bereiche der Orte Kammer, Weyregg, Attersee, usw. aus der jüngeren Steinzeit (5000-1800 v.Ch.) zeugen davon. Landeinwärts, also das Gebiet unserer heutigen Gemeinde, dürfte das Jagd- und Weidegebiet der Bewohner dieser Pfahlbaudörfer gewesen sein.
Die durch unser Gebiet führende Salzstraße von Hallstatt über Bad Ischl, Weißenbach, Weyregg und Kammer nach Vöcklabruck war eine nicht zu unterschätzende Lebensader, die aber auch dazu führte, dass sich Bewohner entlang dieser Straße bzw. entlang der Ager ansiedelten. Funde von Bronzespiralen in Pichlwang, von Schälchenknopfnadeln, von Bronzfibel aus der Bronzezeit (1300-7500 v.Ch.) in Pettighofen (Agerstraße 10) bestätigen, dass damals schon Menschen in unserem Raum lebten.
Diese Besiedelung fand ihre Fortsetzung in der Römerzeit (15 v.Ch – 488 n.Ch.), wovon Baureste neben dem Haus Arnbruck 3, der Fund eines Silberdenars "Septimus Severus" im Werksgelände der Lenzing AG und ein Doppelbrandgrab mit einigen Tongefäßen und einer Bronzefibel in Lenzing, Gallabergerstraße 24, Zeugnis ablegen. Die Römer dürften die Schönheit dieser Landschaft zu schätzen gewusst haben. Es entstanden am Attersee die ersten Villen (Mosaikfund in Weyregg). Der Handelsweg über Lenzing (Gallaberg) mündete in Oberthalheim in die Römerstraße, welche von Wels (Ovilava) nach Salzburg (Juvavum) führte. Wir können daraus schliessen, dass zumindest während der Römerzeit in unserem Raum bereits geschäftliches Treiben herrschte. Landnahme – die ersten Orte entstehen 
Etwa ab der 2. Hälfte des 6. Jahrhundert setzte die Bajuwarische Besiedlung des Landes ein. Dieses Bauernvolk bewohnte vorwiegend Gebiete, in weichen Ackerbau und Viehzucht möglich war. Pirhinwanc (Pichlwang) wird 748 erstmalig in einer Urkunde erwähnt. Schon früher dürfte dort eine kleine Kirche gestanden sein.
Dieses Pichlwang muss sich gut entwickelt haben, denn es wurde im Herbst, am Andreastag, ein Jahrmarkt abgehalten, ehe dieser 1480 nach Vöcklabruck verlegt wurde. Der Name Lenzing taucht erstmals um 1430 auf. Ein Hofbeamter namens Lanzo führte sicher schon Jahrhunderte früher seine Schar von Siedlungsgleuten in das waldreiche Gebiet am rechten Agerufer, um im Auftrage seines Landsherrn das Gebiet zu kolonisieren. Von Lanzo entwickelte sich Lanzing, Länzing und dann Lenzing.
Um 1371 scheint Pettighofen als Peterhofen und um 1350 Arnbruck als Siedlung an der Brücke über die Ager auf. Als schöne Dorfanlage entwickelte sich frühzeitig Reibersdorf.
Die an Zahl geringe Bevölkerung ging die ganzen Jahrhunderte der Landwirtschaft nach. An der Ager bestanden einige Mühlen und dort und da arbeiteten kleinere Handwerker. Alle aber unterstanden irgendeiner Grundherrschaft. Sie waren Hörige oder Leibeigene, die den Boden bearbeiten mussten. Die Grundherrschaft wurde fast ausschließlich von den Edelleuten und den Klöstern ausgeübt, welche ihre Güter von Meiern führen oder von Pflegern verwalten ließen.
Jahrhunderte ziehen durchs Land. Sie waren gekennzeichnet von kriegerischen Einfällen, von Unterdrückung und Not der Bewohner. Auch die Pest hinterließ ihre Spuren, wie dies die so genannte Pestkapelle in Oberachmann bestätigt. Die Lehre Martin Luthers und die Bauernaufstände des 16. Jahrhunderts dürften ebenfalls vorübergehend unseren Lebensraum berührt haben.
In der napoleonischen Zeit war die Ager von 1810 bis 1816 Staatsgrenze. Pettighofen und Arnbruck wurden bayrisch, das rechte Agerufer blieb österreichisch.


Stammgemeinde Oberachmann wird gegründet

Das Jahr 1848 brachte die Errichtung der Ortsgemeinden. Mit Erlass des Statthalters des Kronlandes ob der Enns vom 31. Juli 1851 wurde die Gemeinde Oberachmann gegründet. Sie hatte ein Flächenausmaß von 1.063 ha und zählte 701 Einwohner.
Die Lokalbahn "Vöcklabruck – Kammer" wird errichtet und am 1. Mai 1882 feierlich eröffnet.
Die Geburtsstunde der industriellen Entwicklung dürfte im Jahr 1890 stattgefunden haben. Der Ternitzer Fabrikant Emil Hamburger ersteigerte nämlich die so genannte "Starlingermühle" in Lenzing (Besitzer Hitsch) und errichtete darin eine Zellstoff- und Papierfabrik. Vier Jahre später kam die "Mühle in der Au" in Pettigkofen hinzu, die er als Papierfafbrik betrieb sowie die "Fellingermühle" in Unterachmann, die zu Arbeiterwohnungen umgebaut wurde. Schließlich erwarb er 1899/1900 die Raudaschlmühle in Schörfling und baute sie als Sägewerk und Holzschleiferei aus.
1908 gründete man die Freiwillige Feuerwehr Pettighofen und 1911 konnte in Arnbruck eine einklassige Volksschule eröffnet werden. Die Schule wird im Gründungsjahr von 113 Kindern besucht, teilweise am Vormittag und am Nachmittag. Alle Kinder werden von nur einem Lehrer unterrichtet.
Die Jahre des 1. Weltkrieges gingen auch an der damaligen Gemeinde Oberachmann nicht spurlos vorüber. Der Bevölkerung fehlte es an Lebensmitteln und der Gemeinde an Geld. Man beklagte während dieser vier Kriegsjahre 11 Gefallene.
1919 gründete man den "Arbeitermusikverein Pettighofen – Lenzing" und 1920 wurde die Ausgabe von Notgeld beschlossen. Im gleichen Jahr gründete man ein Schrammelquartett und eine Theatergruppe und im November 1922 den ATSV Lenzing. Von den sportbegeisterten Bewohnern wird auf der Agerinsel eine Turnhalle errichtet, in der auch Theateraufführungen und Konzerte stattfanden.
Die Februarrevolution des Jahres 1934 erreichte auch Lenzing. Die Heimwehr verhinderte durch die Besetzung der Ortschaft Arnbruck und des Werksgeländes der Papierfabrik die Hilfestellung der Lenzinger Sozialisten, die ihren Gesinnungsfreunden in Attnang und im Kohlenrevier zu Hilfe eilen wollten.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen am 12. März 1938 wird mit dem Bau des neuen Zellwollewerkes begonnen. Ein Jahr später sprachen sich die Vertreter der Gemeinde Oberachmann für die Neugründung einer eigenen Industriegemeinde aus.
Am 1. April 1939 wurde die neue Gemeindegrenze in jenem Umfange gezogen, wie sie zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Chronik bestanden hat. Man erhielt Gebietsteile aus den Nachbargemeinden Schörfling, Seewalchen und Timelkam und trat an Schörfling wiederum Ortschaften ab. Die Gemeinde zählte nun mehr 2730 Einwohner.
Die röm.-kath. Pfarre entstand mit 1. Jänner 1950. 1962 konnte die Pfarrkirche und 1973 das Lenzinger Kreuz geweiht werden, das mit der Übrigen kunstvollen Ausgestaltung des Kirchenhauses durch Schneider-Manzell bereits in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Die evangelische Pfarre "Lenzing-Kammer" hat ihren Pfarrmittelpunkt in der Rosenau.
Auch die 60er und 70er Jahre standen im Zeichen dieser Aufbruchstimmung in Richtung Marktgemeinde, das Kriegerdenkmal (1960), das Pensionistenheim (1962), das Sozialhaus (1964), das Volksheim (1967), ein Gemeindekindergarten (1964) sowie die Fertigstellung des Sportstättenzentrums (1973) seien hier selbstvertretend aufgelistet.


Die Industriegemeinde

Mit 1. Jänner 1940 wurde der Gemeindename auf "Agerzell" geändert. Durch den Bau des Zellwollewerkes änderte sich die Struktur der Gemeinde. Von der ehemalig ländlich ausgerichteten Stammgemeinde Oberachmann war der Schritt zur Industriegemeinde mit all ihren vielschichtigen Problemen der Infrastruktur zu vollziehen. Güterwege, Wasserversorgung, Kanalisation, zusätzliche Klassenräume, wurden geschaffen. Am 1. Jänner 1942 erfolgte die Installierung eines eigenen Gendarmeriepostens. Der Bahnhof "Lenzing" konnte im Jänner 1944 vollendet werden.
Mit dem Einmarsch der amerikanischen Befreiungsarmee am 5. Mai 1945 geht der 2. Weltkrieg zu Ende. Er kostete das Leben von 184 Soldaten der Gemeinde Agerzell und 44 Personen galten als vermißt.


Stürmische Aufwärtsentwicklung

Erst jetzt konnte mit der Vollendung der kommunalen und kulturellen Einrichtungen begonnen werden. In diese Zeit fällt auch die letztmalige Namensänderung der Gemeinde – "Lenzing löst Agerzell ab"
Schlag auf Schlag entstand ein Projekt nach dem anderen: Volksschule Lenzing (1949), Hauptschule Lenzing (1951), Hauptplatz mit Amtshaus, Post- und Gendameriegebäude sowie Lichtspieltheater (1954-1956), zwei Feuerwehrhäuser, Volksschule in Alt-Lenzing und vor allem der Wohnbau.
Am 12. Juni 1967 verlieh die oberösterreichische Landesregierung der Gemeinde Lenzing das Recht zur Führung eines Gemeindewappens und der Sitzung am 9. April 1984 schließlich, hat die oberösterreichische Landesregierung die Gemeinde Lenzing zum Markt erhoben. Ein Jahr später, im September 1985, erfolgten die offiziellen Markterhebungsfeieren.


Lenzing heute

Die junge Marktgemeinde zählt heute etwas mehr als 5.000 Einwohner. Dank des Groß-so-wie etwa 100 Mittel- und Kleinbetriebe ist sie einer der wirtschaftlichen Zentren Oberösterreichs. Lenzing bietet etwa 4.600 Arbeitsplätze, wovon 3.100 von auswärtigen Dienstnehmern belegt sind.
Mit der Fertigstellung des Freizeitzentrums (Hallenbad, Sauna, Sporthalle, Freisportanlagen) im Jahre 1973 ist der Ausbau der Infrastruktur abgeschlossen. Der Ort verfügt über 3 Schulen, Behörden (Gemeinde, Gendamerie, Post), Pensionistenheim, 2 Kindergärten, 2 Kirchen, Kino, Volksheim, Sozialhaus und 3 Feuerwehren.
Das lebenswerte Lenzing ist längst zu Realität geworden. Hauptplatzgestaltung im Jahre 1985 einschließlich Brunnenanlage, 11 Kinderspielplätze, Freibadeanlage in Oberachmann, Grün- und Parkanlagen, Schrebergartenareal, Wanderweg, Kleindenkmalpflege.
Die Kulturorganisationen bemühen sich um eine gesunde und sinnvolle Freizeitbeschäftigung. Der ATSV Lenzing mit 10 Sektionen, die Naturfreunde Lenzing mit 1400 Mitgliedern, der ARBÖ Lenzing, die Kinderfreunde, der Arbeitersängerbund, der Pensionistenverband, die Volkshochschule, die Werksmusikkapelle und das katholische Bildungswerk sind Einrichtungen, die das kulturelle und gesellschaftliche Leben wesentlich gestalten.
Mit der 1994 erfolgten Deklaration zur Europagemeinde bekennt sich Lenzing zum Grundgedanken eines vereinten Europas. Bereits seit 1990 besteht mit der deutschen Gemeinde Bisingen eine Partnerschaft, die vor allem auf sportlicher und kultureller Ebene zu wertvollen Kontakten geführt hat.
Neben dem Europagedanken verfolgt Lenzing mit den Friedenstagen wohl eines der wichtigsten Ziele unserer Zeit. Seit der Erklärung zur "Friedensgemeinde" anlässlich der 50-Jahr-Feier im Jahr 1989 finden alljährlich am 1. April Friedensveranstaltungen statt.
Das kulturelle Geschehen basiert auf der Arbeit der Vereine und der Kulturabteilung, die mit ihren vielfältigen Veranstaltungen einen wichtigen Beitrag leisten. Dazu zählen auch die Schulen, Musikschule, die Gemeindebücherei, das Kino, die Abhaltung des Christkindlmarktes und vieles mehr.
Von den historischen Bauwerken ist die 1508 eingeweihte Schimmelkirche besonders erwähnenswert.
Dies trifft auch auf die Pfarrkirche zu, die von den bekannten Künstlern Prof. Toni Schneider-Manzell und Prof. Margret Bilger ausgestaltet wurde.


Wirtschaft sorgt für Arbeit und Wohlstand

Der innovative Unternehmergeist und die hohe Qualifikation und Fortbildungs- bereitschaft der Arbeitnehmer haben aus der Vöckla-Ager-Furche eine pulsierende Wirtschaftsregion gemacht.
Die vielseitige Wirtschaft garantiert den hohen Lebensstandard Lenzing zahlt heute zu den florierendsten Gemeinden Oberösterreichs.
Etwa 4600 Menschen finden hier täglich Arbeit. Inklusive der Zulieferindustrie sichert die Lenzinger Wirtschaft den Lebensinhalt für 30.000 Personen.
Neben der weltweit bekannten Lenzing AG, einem der Leitbetriebe der oberösterreichischen Industrie, zählen die Firmen Jodl (Verpackungsmaterial), Starlinger Maschinen GesmbH "SML" (Maschinenbau), Xyrofin OY (Süßstoff), Wozabal (Reinigung), Inspec Fibres GmbH (Polyinid-Fasern) und Funworld (Photoplay) zu den bedeutesten Unternehmen. Einen ebenfalls wichtigen Faktor in der Wirtschaftsstruktur Lenzings bilden die kleineren Handwerks- und Gewerbebetriebe sowie die Handelsgeschäfte. Dazu kommt die intakte Landwirtschaft mit ihrer großen Bedeutung für die Umwelt und das Ortsbild.
Lenzing beweist, daß sich Indutrieballung und gesunde Umwelt nicht mehr ausschließen. Modernste Anlagen und enormer finanzieller Aufwand durch die Lenzing AG haben die Luftsituation gravierend verbessert.
Durch die Inbetriebnahme der biologischen Großkläranlage gehört auch die Verschmutzung der Ager der Vergangenheit an.